Zeit vergeht so schnell! Gefühlt ist es doch gerade erst gewesen, dass unsere Töchter fröhlich mit Cimbria umherzogen, mit ihr und den Fohlen auf der Weide herumtüddelten und einfach eine tolle Zeit hatten!
Nun sind die Kinder längst erwachsen und Cimbria ist ein altes Pferd geworden. Viel haben wir in all den Jahren zusammen erlebt:
Anfangs haben wir Kurse zusammen besucht, sie hat viele Kinder geduldig auf ihrem Rücken getragen und so einigen Kindern hat sie einen ersten Kontakt zum Pferd ermöglicht. Für unsere Töchter war sie einfach immer da. Sie gehört zur Familie und war und ist in manch turbulenten Zeiten Seelentröster und Ruhepol. Meinen ganzen Weg durch verschiedene Reitweisen und Ausbildungsmethoden hat sie geduldig ertragen, vieles haben wir durch sie und mit ihr zusammen gelernt. Und in all den Jahren sind wir immer enger zusammengewachsen. Heute schaue ich sehr dankbar auf diese schöne Zeit zurück und freue mich über die Vertrautheit zwischen uns. Und inzwischen trägt sie sogar noch meine kleine Enkeltochter und lässt sich von ihr bisschen betüddeln.
Vor einigen Jahren wurde es sehr deutlich, dass Cimbria nun wirklich begann alt zu werden. Ihr genaues Alter kennen wir nicht, sie ist wohl inzwischen etwas über 30. Erst litt sie unter Kotwasser, nahm ab, bekam schließlich eine heftige Kolik. Ich wusste immer, dass sie im Alter sicher Probleme in dieser Richtung bekommen würde und nun war es offenbar so weit.
Eigentlich ging es sogar eine weit längere Zeit gut, als wir anfangs zu hoffen gewagt hatten. Denn schon als sie vor über 20 Jahren zu uns kam, hatte sie extrem schlechte Zähne. Über die Jahre stabilisierte sich das zwar ein wenig, aber es mussten immer wieder auch Zähne entfernt werden. Auf dem nebenstehenden Foto sieht man, wie schräg sich ihre Zähne abnutzen. Sie verfügt also nicht über eine normale Kaufläche wie andere Pferde, kam aber all die Jahre recht gut damit zurecht und ich habe sie ganz normal gefüttert wie andere Pferde auch.
Natürlich hat sie ab und an "Röllchen gekaut", aber durch konsequente, regelmäßige Zahnbehandlungen blieb es im Rahmen. Trotz dieser Problematik war sie sogar immer eher zu dick und erfreute sich ansonsten bester Gesundheit. Jedoch darf man nicht unterschätzen, wie stark sich die Darmflora eines Pferdes verändert, wenn über Jahre nicht gut gekaut werden kann.
Im Laufe der Zeit wurden also ihre Zähne immer schlechter, das Kauen immer schwieriger. Sie nahm immer mehr ab, hatte wieder Kotwasser und heftigen Durchfall und bekam schließlich die oben erwähnte Kolik. Sie fraß zwar immer mehr Heucobs, nahm schließlich nicht weiter ab, sah aber immer noch schlecht aus und wir bekamen Durchfall und Kotwasser mit all unseren Tricks und Mitteln, die bei ihr sonst immer halfen, einfach nicht in den Griff.
Nach diversen Untersuchungen wurde klar, dass sich durch ihre langjährige Zahnproblematik eine Darmentzündung entwickelt hatte. Zu diesem Thema habe ich einen weiteren Artikel geschrieben (Darmentzündung), darum möchte darauf an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Wir begannen eine Cortison-Therapie und ich stellte vieles in der Fütterung um. Und genau das ist der Grund, aus dem ich diesen Artikel schreibe: Viele meiner Kunden betreuen alte Pferde und immer wieder sehe ich, wie schwer es fällt, für diese alten Pferde die vorher als gut erachteten Fütterungs-Pfade zu verlassen.
Viele Pferdeleute haben feste Vorstellungen davon, wie gute Pferdefütterung aussehen sollte. So möchte man möglichst wenig Kraftfutter geben und stattdessen den Energiebedarf rein über das Heu decken. Zusätzlich gibt es höchstens eine kleine Hand voll Heucobs, Hafer o.a., um das Mineralfutter untermischen zu können. So war es all die Jahre gut. Aber nun ist das Pferd alt und das funktioniert oft so nicht mehr. Man muss umdenken!
Immer wieder bekomme ich Anfragen, in denen nach einem Mineralfutter fürs alte Pferd gefragt wird, weil dieses so abgenommen habe. Nimmt aber das Pferd ab, obwohl es 24 Stunden Heu zur freien Verfügung hat, so muss man an anderer Stelle ansetzen als beim Mineralfutter. Zunächst sollte man natürlich nach gesundheitlichen Dingen schauen (Zähne, Magen, Schmerzen usw). Und dann braucht das Pferd anderes, energiereiches Futter zusätzlich! Es braucht also Krippenfutter. Und zwar u.U. in wirklich großen Mengen! Diese Mengen sind für viele Pferdehalter erst einmal vollkommen ungewohnt. Denn es geht hier nicht um kleine Zahnputzbecher voll Heucobs - es können manchmal mehrere Kilo unterschiedlicher Zusatzfutter täglich nötig sein. Und bei sehr großen benötigten Mengen, muss das oft auch auf mehrere Mahlzeiten verteilt gegeben werden. Manchmal müssen auch Futtermittel und / oder Medikamente mit einbezogen werden, denen man eigentlich sonst eher skeptisch gegenüber stand. Aber bedenken sollte man bei den alten Pferden immer: Sie brauchen JETZT Lebensqualität! Prinzipienreiterei hat in der Versorgung alter Pferde nichts zu suchen.
Auch für mich war es erst einmal ungewohnt und sicher war es nicht mein Ziel, meinem Pferd langfristig Cortison zu geben. Und auch ich musste mich erst einmal neu organisieren, musste einiges verändern und für die Fütterung ein weitaus größeres Zeit- und Geldbudget einplanen gegenüber früher. Alte Pferde zu versorgen ist weder billig noch einfach!
Aber wir haben doch die Verantwortung für dieses Lebewesen übernommen! Sie sind doch auf uns angewiesen! Und wenn ein Pferd nicht mehr gut kauen oder nicht ausreichend verwerten kann, dann MUSS ich als Mensch dafür sorgen, dass es mindestens einmal täglich (oft muss man eher von mindestens 2 oder 3 x täglich sprechen) eine gute Portion eingeweichter Heucobs oder / und anderer nötiger Futtermittel und Medikamente bekommt. Viel zu häufig höre ich: "Aber ich bin doch nur noch 2 x in der Woche (oder jeden 2 Tag oder, oder, oder) bei meinem alten Pferd!"
Ganz klar: Dann muss man etwas organisieren und sich Hilfe suchen! Keinesfalls kann man nun 2 x in der Woche eine riesige Ration Heucobs geben und an den anderen Tagen gibt es wieder nur Heu. Denn auch bei den alten Pferden gilt natürlich: Die Gewöhnung an die andere Futtermittel oder / und so viel höhere Mengen muss langsam erfolgen. Da kann man nicht so ab und zu plötzlich große Mengen Heucobs auffahren. Das muss schon langsam hochgefahren werden und dann kontinuierlich täglich (oder auch mehrmals täglich) gegeben werden.
Als Beispiel für Mengen, die erforderlich sein können, schreibe ich nun über Cimbrias Futterrationen. Das heißt natürlich nicht, dass DIESE Rationen auch für andere Pferde so gelten, da muss man jeweils individuell schauen. Mir geht es nur darum zu zeigen, was manchmal tatsächlich nötig sein kann - trotz einer 24 Stunden Heufütterung. Es ist also lediglich ein Beispiel.
Zunächst bekam Cimbria (ein 1,35 m-Pony) eine ganze Weile lang (natürlich hatten wir die Mengen langsam gesteigert) täglich auf mehrere Mahlzeiten verteilt insgesamt 500 g unmelassierte Rübenschnitzel, 1,5 kg Luzernecobs und 2 kg Heucobs. Dazu 100 g eines Leinsamenproduktes, Mineralfutter, Aminosäuren und unterschiedliche Dinge für den Darm.
Wie man sieht, füttere ich diese Dinge nicht aus einem Eimer, denn sie wühlt (wie die meisten Pferde, die solche Mengen bekommen) immer kräftig mit dem Maul im Futter herum. So bekommt sie also jeweils alles in einem großen Kübel serviert.
Die unmelassierten Rübenschnitzel taten ihrem Darm tatsächlich sehr gut, obwohl das ein Futtermittel ist, das ich früher als recht überflüssig ansah. Nach einigen Monaten begann sie jedoch etwas zu mäkeln und sie brauchte extrem lange für ihre Ration und so schlich ich die Rübenschnitzel aus. Sie hatte inzwischen auch etwas zugenommen. Weil es ihr nur mit Heu- und Luzernecobs aber nicht so gut wie gewünscht voran ging, probierte ich das ExtruVital aus. Und Cimbria liebt es! Ich steigerte es auf 500 g / Tag und sie bekam nun also täglich 1 kg Luzernecobs, 2 kg Heucobs, 500 g ExtruVital, 100 g getrocknete Karottenwürfel und ihre sonstigen Zusätze. Und ich denke, auf den obigen Fotos sieht man ganz schön, wie gut ihr das tat!
Sie nahm nun also sehr gut zu, so dass ich wieder reduzieren konnte. Und so geht es nach Augenmaß immer ein wenig hin und her - ich passe die Mengen jeweils ihren Bedürfnissen an. Habe ich gerade eher grobes Heu, braucht sie mehr Heucobs als zu feinerem Heu. Und je nach Temperatur schwankt die benötigte Menge ebenfalls. Inzwischen sieht sie wirklich gut aus, aber nun ist Arthrose dazugekommen, so bekommt sie natürlich auch dafür etwas. Momentan frisst sie täglich ca. 1 kg Heucobs und 500 g Extru Vital, dazu Alpuvita und ArthroTendon+ (alles verteilt auf 2 Mahlzeiten). Sie kommt also im Grunde sogar inzwischen mit recht kleinen Futtermengen aus - ich kenne so einige Pferde, die täglich 6 kg Heucobs und zusätzlich noch andere Futtermittel benötigen!
Man sieht also: Alte Pferde muss man mit viel Augenmaß versorgen. Die Ration, die man einmal festlegt, muss nicht über Jahre so bleiben. Natürlich darf man nun nicht ständig hin und her wechseln und immer wieder was anders probieren! DAS wäre auch falsch! Aber mit den nötigen Mengen muss man manchmal schon etwas spielen und man muss auch unterschiedliche Vorlieben des Pferde berücksichtigen, damit es die nötigen Futtermengen auch aufnimmt.
Bei allem, was man tut, muss man immer die Lebensqualität des Pferdes JETZT im Auge haben. Es stellen sich natürlich meist diverse Wehwehchen ein. Das ist bei uns so und das ist auch bei unseren Tieren so. Ein Stück weit muss man es akzeptieren lernen, dass das nun alte Pferd natürlich nicht mehr so fröhlich umherspringt wie noch vor 10 Jahren. Und das gilt es auch so anzunehmen, damit sich auch unser Pferd weiterhin angenommen fühlt.
Aber viel zu häufig sieht man alte Pferde mit heftige Schmerzanzeichen im Gesicht. Bei jungen Pferden wägt man natürlich sehr genau ab: Wann sind Medikamente wie beispielsweise Schmerzmittel und Cortison wirklich nötig? Bei alten Pferden muss man da aber oft anders denken: Vieles kann sich im Alter einfach nicht mehr bessern. Da muss man jetzt kurzfristig helfen. Darum meine dringende Bitte: Schwarz-Weiß-Denken ist selten eine gute Idee. Aber gerade in der Versorgung alter Pferde muss man oft umdenken und auch Dinge nutzen, die man vorher vielleicht abgelehnt hat, damit das Pferd auch seine letzten Jahre genießen und in Würde altern kann!
Update: Im Sommer 2022 mussten wir unsere Cimbria leider gehen lassen, weil sie wegen einer heftigen Ataxie mehrfach stürzte. Auch diese Entscheidung gehört leider zum Leben mit Pferden dazu. Wir sind diesem unglaublich tollen Pony so dankbar für alles und waren es ihr schuldig, auch diesen letzten Schritt un Würde und Ruhe zu gestalten.
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