Vitamin D in der Pferdefütterung wird recht unterschiedlich diskutiert und eingesetzt. Darum möchte ich ein wenig erklären, warum wir diese Substanz in den Sapodoris-Produkten so sehr zurückhaltend nutzen.
Wie fing es an?
Das erste Sapodoris-Produkt zur Mineralstoff-Ergänzung war Basis Stoffwechsel (das heutige Oligo plus). In den Jahren zuvor war ich eher Verfechter der "natürlichen Fütterung", denn bei meinen Pferden hatte ich immer wieder den Eindruck, dass es ihnen besser ginge ohne Produkte, die viele synthetischen Zusatzstoffen enthielten. Diese Art der Fütterung ging eine ganze Weile gut - bis sich deutliche Mangelerscheinungen zeigten. Das (und einige andere Dinge) führte dazu, dass ich meine Ansicht über die Fütterung grundlegend änderte.
Geprägt durch einige Aussagen aus der "natürlichen Fütterung" war ich jedoch Vitamin D3 in Futtermitteln gegenüber erst einmal noch sehr skeptisch und somit sollte dem Basis Stoffwechsel ganz bewusst kein Vitamin D zugesetzt werden. Auch in der Literatur war immer wieder nachzulesen, dass Fälle von Vitamin D-Mängeln beim Pferd nicht bekannt wären.
In den Folgejahren lernte ich immer weiter, besuchte viele Fortbildungen, las viele Bücher und andere Veröffentlichungen. Die darauf hin entwickelten Rezepturen wurden nun mit ein wenig Vitamin D geplant. Zwar war ich auch weiterhin sehr vorsichtig mit der Dosierung, setzte es aber dann doch ein, weil einiges dafür sprach. Oft dachte ich zudem darüber nach, auch die Rezeptur vom Basis Stoffwechsel (heute Oligo plus) entsprechend zu verändern. Aber die Rückmeldungen zu diesem Produkt waren einfach viel zu gut - auch bei sehr langfristigem Einsatz. So blieb es unangetatstet: Kein Vitamin D-Zusatz im Oligo plus! Stattdessen kam noch ein zweites Produkt ohne Vitamin D dazu - das Purvital. Und auch hier sind die Rückmeldungen sehr, sehr gut.
So kann ich sagen: Wir versorgen schon seit mehr als 12 Jahren sehr, sehr viele Pferde OHNE zugesetztes Vitamin D mit sehr guten Rückmeldungen. Unsere beiden Hauptprodukte enthalten kein Vitamin D und nie gab es den Eindruck, dieses könnte den Pferden fehlen.
Aktuell wird aber oft nachgefragt, ob man denn nicht (mehr) Vitamin D benötigen würde, weil doch das Heu bedampft wird. Und so ist es Zeit, wieder einmal zu hinterfragen und einige wissenschaftliche Daten und Fakten zum Thema "Vitamin D in der Pferdefütterung" zu bemühen. Passend dazu gibt es gerade einige sehr interessante neue Forschungen.
Was sagt die Literatur?
Schon in "Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden" der GfE von 2014 (im DLG Verlag erschienen) kann man nachlesen, dass die Bedeutung von Vitamin D bei Equiden unklar sei und sehr niedrige Konzentrationen an Vitamin-D-Metaboliten in Blutanalysen im Vergleich zu andern Tierarten gefunden würden. Ein Nachweis, dass Pferde auf die Zufuhr über die Nahrung angewiesen seien, wurde nicht erbracht. Weil es aber einige Untersuchungen mit etwas unklaren Ergebnissen gab und weil ja Vitamin D für andere Tierarten sehr wichtig ist, wurde daran festgehalten, die Gabe von Vitamin D weiterhin sicherheitshalber zu empfehlen.
In "Pferdefütterung" (Coenen / Vervuert, Thieme Verlag 2020) wird erklärt, dass Vitamin D für die Ca- und P-Homöostase beim Pferd eine deutlich geringere Rolle spielt als bei anderen Tierarten. Auch hier wird betont, dass der Bedarf des Pferdes sehr gering sei und die Notwendigkeit einer Ergänzung über die natürlichen Gehalte des Futters hinaus fraglich sei. Trotzdem gibt es Versorgungsempfehlungen.
Weiterhin kann man auch hier nachlesen, dass Berichte über Vitamin D-Mangelerscheinungen beim Pferd fehlen - wir kennen also keine Fälle von Vitamin D-Mängeln beim Pferd. Gleichzeitig wird betont, wie empfindlich Pferde auf Vitamin D-Überdosierungen reagieren können.
Laut "Pferdefütterung" ist bei längerfristiger Gabe des 5-fachen Tagesbedarfs mit negativen Folgen zu rechnen. Und diese Mengen kommen tatsächlich nicht selten in Rationen vor.
Im "Kompendium zur Rationsberechnung für Pferde" (Kienzle / Pankratz / Zeyner - 2023) wird ebenfalls erwähnt, dass es nicht klar sei, ob Vitamin D fürs Pferd essentiell ist. Es wird wiederum auf die Gefahr der Überdosierung hingewiesen.
Als Grenze zur Toxizität wird die siebenfache Menge des Bedarfs genannt.
Wir sehen also: Es ist vieles noch unklar, man gibt sicherheitshaber kleine Mengen an Vitamin D zu - aber eigentlich wissen wir nicht, ob das überhaupt notwendig ist. Wir wissen aber, dass zu viel Vitamin D schädlich ist.
Vitamin D2 oder D3?
Nun ist es wichtig, erst einmal zwischen Vitamin D2 (Ergocalciferol) und Vitamin D3 (Cholecaciferol) zu unterscheiden. Vitamin D3 wird beim Menschen und vielen anderen Spezies unter Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet. Vitamin D2 jedoch wird in Pflanzen gebildet und ist in recht hohen Mengen in Gras und Heu enthalten. Natürlicherweise nimmt das Pferd also über die Nahrung Vitamin D2 auf. Futtermittelrechtlich zugelassen ist nur Vitamin D3, darum wird diese Form den Futtermitteln zugesetzt.
Wieviel Vitamin D braucht das Pferd?
Der Tagesbedarf in Erhaltung eines 500 kg-Pferdes wird angegegeben lt. GfE 2014 mit 3.200 IE pro Tag (30 IE je kg KM0,75). Durch Arbeit erhöht sich der Bedarf nicht, nur während Trächtigkeit, Laktation und im Wachstum rechnen wir mit höheren Bedarfswerten.
Lt. "Pferdefütterung" (Coenen / Vervuert) ist bei Weidehaltung der Vitamin D-Bedarf gedeckt. Für sonnengetrocknetes Heu werden Gehalte von 500 bis 1000 IE je Kilo genannt, so dass der Tagesbedarf eines 500 kg-Pferdes also mit 3,2 bis 6,4 kg Heu gedeckt wäre. Bei rein unterdachgetrocknetem Heu sind es noch 200 IE, hier wären also 16 kg Heu zur Bedarfdeckung notwendig.
Je weniger lange das Gras in der Sonne trocknen konnte, umso geringer der Vitamin-D-Gehalt. Üblicherweise werden in der Pferdefütterung aber Grasprodukte verwendet, die zumindest ein paar Tage draußen (unter Tageslicht) trocknen konnten.
Selbst im "Wintergras" ist lt. "Kompendium zur Rationsberechnung für Pferde" (Kienzle / Pankratz / Zeyner - 2023) immer noch etwas Vitamin D2 enthalten. In diesem Kompendium werden noch höhere mögliche Gehalte im Heu genannt als in "Pferdefütterung" von Coenen / Vervuert - besonders bei Heu, das lange in der Sonne lag.
Schaut man sich diese Zahlen an, so ist unter normaler Fütterung in der Tat nicht mit einem Vitamin-D-Mangel zu rechnen, weil auch Heu beträchtliche Vitamin D2-Gehalte aufweist. Vitamin D baut sich zwar langsam während der Lagerung ab, aber es ist hitzestabil. Somit brauchen wir Vitamin D auch nicht zu ergänzen, weil das Heu bedampft wird. Anders sieht es möglicherweise (auch das wissen wir nicht) aus, wenn überjähriges Heu gefüttert wird. Hiervon ist aber vor allem wegen der Gefahr des erhöhten mikrobiellen Befalls sowieso abzuraten.
Vitamin D3-Produktion durch Sonneneinstrahlung in der Haut von Pferden?
Es gab 2022 eine sehr interessante Studie an der University of Edinburgh (The effect oft season, management and endocrinopathies on vitamin D status in horses, Dosi et al.). Hier wurde in den Untersuchungen erstmalig unterschieden, wie hoch die Plasmakonzentration von Vitamin D2 und D3 bei Ponys in reiner Weidehaltung (ohne Zufütterung) im Vergleich zu im Stall gehaltenen Vollblütern (unter Zufütterung von Vitamin D3-haltigen Futtermitteln) war.
Und man stellte fest: OHNE Zufütterung von Vitamin D3 ist KEIN Vitamin D3 im Plasma nachweisbar. Das bedeutet, dass natürlicherweise Vitamin D2 über Gras und Heu aufgenommen wird, aber es wird nicht oder nur sehr wenig Vitamin D3 über die Haut gebildet.
Man fand bei den Ponys in reiner Weidehaltung starke jahreszeitliche Schwankungen des Vitamin D-Spiegels, ohne jeden Hinweis auf gesundheitliche Beeinträchtigungen unter den niedrigen Werten. Die jahreszeitlichen Schwankungen hängen zusammen mit den unterschiedlichen Vitamin D2-Gehalten im Gras im Jahresverlauf. Bei längerer Tageslichtlänge enthält Gras mehr Vitamin D2 als in der dunklen Jahreszeit. Aber dies hatte keinen Einfluss auf die Gesundheit der Ponys.
Weiterhin wurden in dieser Studie der Zusammenhang zwischen endokrinen Erkrankungen und dem Vitamin D-Status untersucht. Dazu wurden 107 Pferde getestet und es konnte kein Zusammenhang festgestellt werden zwischen (wie es bei Menschen der Fall ist) einem niedrigen Vitamin D-Spiegel und Übergewicht oder / und Insulinresistenz. Auch einen Zusammenhang mit PPID konnte man nicht feststellen.
Ich finde es sehr interessant und eindrucksvoll, wie groß Unterschiede zwischen der Bedeutung von Vitamin D beim Menschen und beim Pferd sind. Wir dürfen hier also nicht vom Menschen auf das Pferd schließen.
Schlussfolgerung dieser Studie war übrigens, dass noch viel weiter geforscht werden muss - besonders was den Bedarf von Pferden im Sport ohne Weidegang betrifft.
Nachteile und Risiken der Vitamin D-Überversorgung
Kürzlich hörte ich auf Burg Warberg einen eindrucksvollen Vortrag von Herrn Prof. Schusser zum Thema "Störungen des Kalziumstoffwechsels - Nebenschilddrüsenfunktion". Hier wurde sehr eindringlich vor Vitamin D-Überversorgungen gewarnt. Vitamin D-Überschüsse schon ab 50 % über Bedarf können zu Verkalkungen der Weichteile führen und bereits bei doppelter Dosierung beobachtet man Leistungseinschränkungen durch Kalzifizierung. Solche Überschüsse sieht man häufig, wenn verschiedene vitaminisierte Produkte kombiniert werden. Auf jeden Fall sollte man also bei sämtlichen Futtermitteln auch einen Blick auf Vitamin D3 werfen.
In diesem Zusammenhang ist auch die dem Mineralfutter zugesetzte Calcium-Verbindung zu beachten. Monocalciumphosphat ist die am höchsten und schnellsten verfügbare Verbindung, was in Bezug auf mögliche Verkalkung jedoch negativ zu bewerten ist. Für Dicalciumphosphat gilt dies nicht. So würde ich besonders in der Zucht und Aufzucht unbedingt darauf achten, mit welchen Calciumbindungsformen gearbeitet wird.
Im genannten Vortrag wurde also schon eine weit geringere Vitamin D3-Menge als kritisch angesehen, als wir es in der Literatur lesen. Das liegt daran, dass es natürlich einen Unterschied gibt zwischen "toxisch" und "man kann schon mit evtl. negativen Effekten rechnen". Die toxische Grenze ist nicht gleichzusetzen mit der Menge, die u.U. schon Schäden anrichten kann.
In Rahmen der Veranstaltung wurde auch die Frage gestellt, warum es überhaupt Empfehlungen für die Vitamin D-Versorgung gibt. Auf diese Frage antwortete Frau Prof. Zeyner (Sachverständige im Ausschuss für Bedarfsnormen), dass die Bedarfswerte für Vitamin D als Obergrenze zu verstehen seien, die nicht überschritten werden sollten.
Und was bedeutet das für uns?
Man ist sich beim Vitamin D3 noch nicht einig, es wird noch weiter geforscht und es bleibt spannend. Nach all diesen Erkenntnissen bleiben wir dabei, mit Vitamin D3 sehr vorsichtig zu sein. Denn in den allermeisten Fällen ist Vitamin D2 genügend in Gras und Heu enthalten, auch beim Bedampfen geht es nicht verloren. Gleichzeitig gibt es keine Hinweise auf mögliche Vitamin D-Mängel beim Pferd - wohl aber wissen wir, dass Vitamin D-Überschüsse sehr kritisch zu sehen sind. Zudem ist es in der Natur des Pferdes normal, dass mal mehr und mal weniger Vitamin D zur Verfügung steht, dieses führt ebenfalls nicht zu Poblemen.
So kann ich sagen: Unsere langjährigen sehr guten Erfahrungen ohne oder mit nur sehr geringen Vitamin D3-Zugaben decken sich mit den aktuellen Erkenntnissen aus der Forschung und wir werden somit daran nichts verändern.